Wie bewerte ich den Transfersommer meines Klubs?
Auch in dieser Transferperiode ging es am Hardtwald zu wie auf einem Bahnhof – es war ein großes Kommen und Gehen zu beobachten. Während im Vorjahr bereits 14 Spieler dem SVS den Rücken
kehrten, waren es in dieser Saison sogar 18, wobei Anais Ouahim auch auf der "Schwarzen Liste" stand, es sich für ihn jedoch keinen Abnehmer fand. Natürlich war eine gewisse Fluktuation
innerhalb des Kaders nach der Katastrophensaison 2020/21 von den SVS-Fans erwartet worden, doch dass am Ende ein Totalumbruch erfolgte, von dem auch langjährige, verdiente Spieler wie
Denis Linsmayer oder Philipp Klingmann betroffen sein sollten, ließ das Fass bei den Fans überlaufen. Die Kritik der SV-Anhänger an den Handlungen der Vereinsverantwortlichen wurde lauter
und diese gipfelte sich am 3. Spieltag im Heimspiel gegen den KSC: Auf mehreren Transparenten wurde im Hardtwaldstadion allen mitgeteilt, was man von den Entwicklungen der letzten 2 Jahre
hielt. Im Fokus standen Jürgen Machmeier (Präsident/Sportvorstand), Mikayil Kabaca (Sportlicher Leiter) und Volker Piegsa (Geschäftsführer). Hauptkritikpunkt war der Führungsstil auf
allen Ebenen. Man bekommt mittlerweile den Eindruck, die Spieler werden mehr und mehr als Austauschware gehandelt, eine Linie in der Personalpolitik ist nicht mehr zu erkennen – auf dem
Platz, aber auch auf der Geschäftsstelle. Mit einer Mega-Fluktuation schafft man sich jedenfalls kein familiäres Klima im Verein, auch wenn man dies regelmäßig in die Öffentlichkeit
rausposaunt. Am 24.08.2021 gab es eine Aussprache zwischen der Vereinsführung und den Fanvertretern, bei dem "Missverständnisse ausgeräumt und ein gegenseitiges Verständnis entwickelt
wurde". Die Kommunikation zwischen Fans und Verein soll "zukünftig intensiviert und auf eine neue Ebene gebracht werden." So weit, so gut. Jetzt müssen die Vereinsverantwortlichen "nur "
noch ihre Arbeitsweise überdenken und für ein positives Arbeitsklima sorgen. Dies ist besonders wichtig für die vielen neuen Spieler, um hier in Sandhausen anzukommen und um sich mit dem
SVS zu identifizieren. Nur so kann Zusammenhalt wachsen und ein funktionierendes Team auf dem Platz stehen, das alle Prozentpunkte aus sich herausholt. Mit Patrick Drewes, Marcel
Ritzmaier, Cebio Soukou, Gianluca Gaudino, Oumar Diakhité, Bashkim Ajdini, Chima Okoroji, Arne Sicker, Carlo Sickinger, Pascal Testroet, Christian Kinsombi, Immanuel Höhn und Charlison
Benschop waren bisher fast alle der 14 Neuzugänge für die Schwarz-Weißen tätig. Nur Christian Conteh wartet noch auf seinen ersten Einsatz. Obwohl man einen Verjüngungsprozess in dieser
Transferperiode starten wollte, ist dies nur bedingt geglückt. Mit 27,7 Jahren im Durchschnitt hat der SVS auch in der Saison 2021/22 den mit Abstand ältesten Kader der 2. Bundesliga
vorzuweisen.
Auf welchen Neuzugang freue ich mich am meisten – und warum?
Der Spieler, der mir bisher am meisten Freude bereitete, ist unser Torwart Patrick Drewes. In jeder Partie war er der Fels in der Brandung, konnte in jedem Spiel mit tollen Paraden
glänzen und der Mannschaft Sicherheit geben. Zum zweiten wäre da noch unser neuer Mittelstürmer Pascal Testroet. Ich habe es immer verflucht, wenn er mit dem FC Erzgebirge Aue gegen uns
antrat. In den letzten 5 Aufeinandertreffen erzielte er 5 Tore gegen uns. Seine Bilanz bei den "Veilchen" (2018-2021) kann sich auch sehen lassen: In 99 Spielen erzielte er 37 Tore!
Sofern seine Achillessehnenprobleme nach der Länderspielpause behoben sind, kann er endlich bei uns durchstarten.
- Gibt es einen Abgang, der besonders schmerzt – und warum?
Immer wenn es um schmerzhafte Abgänge geht, handelt es sich um Spieler, die Leistungsträger in ihren Vereinen waren. Unser Ex-Stürmer Kevin Behrens, der in die 1. Bundesliga zu Union
Berlin wechselte, war unser hochkarätigster Abgang. Er erzielte für den SVS in den letzten beiden Saisons 27 Tore bei 9 Assists. Wobei sein Wechsel abzusehen war, da sein Vertrag auslief
und die Eisernen bereits ein Jahr zuvor schon bei ihm angeklopft hatten. Nach der Nachricht über seinen Abgang benötigte ich jedoch keine Aspirin, da wir mit Pascal Testroet einen
gleichwertigen Ersatz finden konnten.
Der zweite Abgang, der mich nicht nur sportlich, sondern auch emotional sehr beschäftigt, ist der von Denis Linsmayer (DM). Unser Ex-Kapitän und unser dienstältester Spieler neben Tim
Kister hat dem SVS seit der Saison 2013/14 durch seine Mentalität und seinem Einsatz stets Stabilität verliehen. Er war unsere Schaltzentrale im Mittelfeld. Er verband die kämpferischen
Elemente mit den strategischen wie kein Zweiter. Dadurch profitierte auch unsere Innenverteidigung, die durch seine Anwesenheit stets sicherer wirkte. Er war ein Typ der offenen Worte, ob
im Gespräch mit den Medien, oder mit den Fans. Er war in Sandhausen eine Identifikationsfigur und sehr beliebt. Die Art und Weise, wie er vom Verein "ausgemustert" wurde, ist vielen
SVS-Fans sauer aufgestoßen. Er wechselte – wie Nils Röseler – vor wenigen Wochen zum FC Ingolstadt und nahm dort sofort eine zentrale Rolle im Spiel der Schanzer ein. Als er am 5.
Spieltag mit dem FCI wieder an den Hardtwald zurückkehrte, wurde seine würdevolle Verabschiedung nachgeholt, was Denis und die SVS-Fans sehr erfreute.
Das ist meine Wunschaufstellung:
Spieltag 1 (0:2 gegen F95) und Spieltag 2 (0:3 gegen SSV Jahn) gingen für den SVS mit einer Dreierabwehrkette verloren, ohne selbst ein einziges Tor geschossen zu haben. Seit dem 3.
Spieltag (0:0 gegen den KSC) spielen wir mit einer Viererabwehrkette, das der Mannschaft besser zu bekommen scheint (3:1-Sieg am 4. Spieltag gegen den FCE Aue): Bessere Kombinationen im
Mittelfeld, mehr Stabilität in der Abwehr, mehr herausgespielte Großchancen. Der 5. Spieltag ging jedoch wiederum mit 0:2 gegen den FCI verloren, trotz Viererabwehrkette. Das beweist, wie
sehr die Mannschaft noch zusammenfinden muss und wie volatil sich das Leistungsvermögen unseres Teams in der 2. Bundesliga darstellt. Unsere beste Aufstellung sehe ich persönlich momentan
in einem 4-2-3-1-System mit folgenden Spielern: Drewes – Ajdini, Höhn, Zhirov, Okoroji – Bachmann, Ritzmaier – Sicker, Biada, Soukou – Testroet
Wie schneidet mein Klub in dieser Saison ab?
Tabellarisch gesehen, sollte der SVS mindestens so gut wie in der vergangenen Saison abschneiden. Mit dem 15. Tabellenplatz erreichte er letzte Saison gerade so den direkten
Klassenerhalt. Ob in dieser Spielzeit wieder nur 34 Punkte hierzu ausreichen, wage ich aber zu bezweifeln. Mit Sicherheit sollten in dieser Saison mehr als nur unterirdische 3 Punkte aus
17 Auswärtspartien für unseren Dorfklub drin sein. Wenn im Verein der Zusammenhalt wieder stimmt und der SVS wieder den galligen Ligazwerg darstellt, der den großen Traditionsclubs die
Punkte klauen möchte, dann wird er diese Saison besser abschneiden als letzte Saison. Mein Tipp: Wenn wir uns von den Abstiegsrängen stets fernhalten können und uns am Ende mit 41 Punkten
zwischen dem 13. und 15. Tabellenplatz einpendeln, wäre ich hochzufrieden.
Bericht von Hans J. Wagner (Hans74)